GESELLSCHAFT Schülerinnen des Ulrichsgymnasiums nehmen an internationalem Projekt teil – Treffen in Paris
Beim „Relais de la Mémoire“ geben Zeitzeugen ihre Erfahrungen an die junge Generation weiter. Die Mädchen präsentierten ebenfalls einen Beitrag.
NORDEN/ELA – Natürlich wollten Lina, Nadja, Emili, Leonie und Maike den Eiffelturm sehen, aber der eigentliche Grund, warum sie und ihre Lehrerin Petra Drüke nach Paris fuhren, war das Frühjahrstreffen des „Relais de la Mémoire“.

Seit zwei Jahren nehmen Schülerinnen und Schüler einer Arbeitsgemeinschaft des Ulrichsgymnasiums Norden (UGN) an diesem europäischen Projekt teil. Das „Relais de la Mémoire“ – was übersetzt bedeutet: „Staffellauf der Erinnerung“ – hat das Ziel, Erfahrungen von Zeitzeugen an die junge Generation weiterzugeben. Im vergangenen Herbst hatte es ein solches Treffen in Norden gegeben (wir berichteten).
Schwerpunkt der Themen bildet die Zeit des Nationalsozialismus. „Aber es werden auch immer wieder aktuelle Themen angesprochen, die die politische Situation in Europa zum Inhalt haben“, sagt Lehrerin Petra Drüke. An diesem europäischen Projekt beteiligen sich Schulen aus Paris und Marseille (beide aus Frankreich), Krakau (Polen), Wien (Österreich), Newcastle (England) und das Ulrichsgymnasium aus Norden.
Bei der Tagung in Paris wurde das Jahresthema „Kinder im Krieg“ weitergeführt, das bereits beim Treffen in Norden im Mittelpunkt gestanden hatte. In Frankreich lebten noch viele Zeitzeugen, die die Zeit der deutschen Besatzung erlebt haben, so Petra Drüke. Vor allem das Schicksal der jüdischen Zeugen bewegte die Jugendlichen. „Wie soll man als 15-jähriger Schüler verstehen können, dass sich die sympathische ältere Frau, die sich an einem der ,Runden Tische’ mit ihnen unterhält, schuldig fühlt, weil sie als Einzige in ihrer Familie die Zeit im Konzentrationslager Auschwitz überlebt hat?“ Neben den Zeitzeugenberichten traten auch bedeutende Persönlichkeiten der französischen Politik auf, so zum Beispiel Bernard Kouchner, der Mitbegründer der Organisation „Ärzte ohne Grenzen“.
Und auch von den Schülerinnen und Schüler gab es Beiträge zum Thema des Treffens „Kinder im Krieg“. Die Norderinnen präsentierten das Ergebnis einer Recherche der Arbeitsgemeinschaft: In Form eines Interviews verglichen sie einen Jungen namens Herbert mit einem Mädchen, das den Namen Mitra trägt. Der eine ist ein jüdischer Flüchtling, der aus Deutschland nach Palästina floh, die andere ist eine syrische Schülerin des Norder Ulrichsgymnasiums, die aus ihrer Heimat nach Deutschland floh. Die Norderinnen stellten Fragen, wie: Welche Gründe bewegten beide zur Flucht aus ihrer Heimat? Welche Schwierigkeiten gab es während der Flucht? Welche Ängste und Sorgen haben sie ausgestanden? Wie hätte das Schicksal dieser beiden Kinder ausgesehen, wenn sie kein Gastland gefunden hätten? Petra Drüke: „Da die Präsentation dreisprachig angelegt war, konnten alle Teilnehmer verstehen, was die Schülerinnen zu sagen hatten.“
Das Thema Flüchtlinge stand in diesem Frühjahr immer wieder zur Debatte. Sowohl Zeitzeugen als auch die Jugendlichen selbst nahmen in ihren Beiträgen dazu Stellung. Dabei war häufig eine große Sorge um die Zukunft Europas herauszuhören. Petra Drüke: „Betrachtet man allerdings die Teilnehmer des ,Relais de la Mémoire’ scheint diese Sorge unbegründet.“ Es sei immer wieder erstaunlich, wie freundschaftlich und respektvoll die Jugendlichen miteinander umgingen. Jeder bemühe sich, die Sprache des anderen zu verstehen und zu sprechen. „Die wenige Freizeit, die die Jugendlichen bei diesen Treffen haben, wird gemeinsam verbracht.“ Es würden Verabredungen für gegenseitige Besuche in den Ferien getroffen. „Und am Ende der intensiven Tage steht jedes Mal ein tränenreicher Abschied.“
Ach ja – da gab es ja noch den Wunsch der Norderinnen, den Eiffelturm zu sehen: Die Gruppe fand tatsächlich noch Zeit, einen kleinen Teil der Innenstadt zu erkunden. Hunderte von Fotos der Schülerinnen beweisen, dass auch der Eiffelturm ein Ziel war.

Entnommen aus dem Ostfriesischen Kurier vom 09.94.2016, Seite 8.