WISSENSCHAFT Norderin Margarethe van der Meer hat in der Grundlagenforschung bahnbrechende Entdeckung gemacht
Im Rahmen ihrer Doktorarbeit für Chemie stellte die Norderin entscheidende Weichen.
NORDEN/ISH – Für rund 90000 Menschen könnte der Name Margarethe van der Meer inzwischen ein Begriff sein. Vorausgesetzt, die Käufer der Berliner Morgenpost haben im Februar den Artikel von Wolfgang W. Merkel gelesen. Er berichtete in der Berliner Tageszeitung über eine bahnbrechende Entdeckung Margarethe van der Meers. Die Norderin hat nämlich im Rahmen ihrer Doktorarbeit zusammen mit anderen Forschern ein chemisches Molekül gefunden „das für sich allein fähig ist, ein Bit zu speichern (...). Das bedeutet etwa eine tausendfache Verkleinerung des Speichermediums – oder anders gerechnet – die Vertausendfachung der Speicherfähigkeit auf derselben Fläche an Speichermedium.“

Der Normalmensch ist ja heute vollkommen zufrieden, wenn er einen USB-Stick mit 16, vielleicht sogar den einen oder anderen mit einer Speicherkapazität von 32 Gigabyte hat. Reicht allemal für die Massen an Privatfotos und -dokumenten, die ganz früher in Alben und Ordnern die Regalbretter füllten, oder auf einem Haufen von CDs gespeichert wurden und heute eben auf den USB-Stick am Schlüsselbund passen.
Die neue Entdeckung aber spielt auf ganz andere Dimensionen an. „Das ist interessant für Firmen, die riesige Datenmengen haben“,erklärt Margarethe van der Meer und nennt als Beispiel Google. Dass dieses Unternehmen allerdings unglaubliche Datenmengen besitzen (will), daran zweifelt wohl niemand.
Die 29-jährige Margarethe van der Meer hat 2006 am Norder Ulrichsgymnasium ihr Abitur gemacht und dann, ihrer Vorliebe für Naturwissenschaften folgend, Chemie studiert. „Warum Chemie?“ Da lacht die junge Frau am Telefon. „Gute Frage“, sagt sie, denkt aber nur kurz nach: „Weil es eine theoretische und eine praktische Ausbildung beinhaltet.“
Offenbar war die Entscheidung nicht die schlechteste, denn die Norderin hat, nach Bachelor- und Masterstudium in Göttingen und Groningen, inzwischen ihre Promotion in Berlin abgeschlossen. Sie mag die wissenschaftliche Arbeit, sagt sie und auch, dass sie sich vorstellen kann, zumindest noch für eine Zeitlang weiter in der Forschung tätig zu sein, um dann vielleicht in der chemischen Industrie einen Arbeitsplatz zu suchen. Aber das ist noch Zukunftsmusik, schließlich hat sie sich ja gerade erst den Doktorhut erarbeitet.
Es sei eher Zufall gewesen, erzählt sie von ihrer Entdeckung im Rahmen der Doktorarbeit. „Margarethe van der Meer von der FU (Freien Universität Berlin) hat die luft- und feuchtigkeitsstabile Verbindung hergestellt“, schreibt Wolfgang W. Merkel in seinem Morgenpost-Artikel. Dass sie auf der Suche gewesen sei nach größeren Molekülen, und dass es dann sogar noch kleinere Moleküle gegeben habe, die genauso gut funktionierten.
Wer in der Chemie nicht zu Hause ist, wird damit nicht soviel anfangen können,noch weniger mit der Aufgabe, die sich die Norderin, die augenblicklich in Essen zu Hause ist, für ihre Doktorarbeit zu stellen hatte.
„The evident application of non innocent ligands...“ sprudelt der erste Teil des Titels förmlich durch den Telefonhörer. Moment! Stopp! Vielleicht besser auf Deutsch? Da spricht die Chemikerin zumindest langsamer:„Die unbedingte Anwendung von nicht unschuldigen Liganden in der Elektrokatalyse und in magnetischer Destabilität“.
Alles klar? Nochmal den Titel wiederholen, bitte. Nicht, dass man danach schlauer wäre, wenn man nicht zu den Chemiespezialisten gehört oder zumindest zu all’ jenen, die sich etwas stärker den Naturwissenschaften, in diesem Fall der anorganischen Chemie, verbunden fühlen. Die könnten jetzt mit der Frau Dr. der Chemie weiter diskutieren über Moleküle, Liganden, Metalle, Redoxprozesse und so weiter.
Und, wer sicher unbedingt mehr wissen will: jeder, der unbedingt Datenmassen speichern muss oder möchte, also alles,was über den Hausgebrauch und wohl auch den „normalen“ Firmengebrauch hinausgeht.
Obwohl: Für die komme das Ganze, beschwichtigt van der Meer, dann doch etwas zu früh. Denn was sie da gemeinsam mit Kollegen des Max-Planck-Instituts für chemische Energiekonversion in Mülheim an der Ruhr und der Universität Stuttgart herausgearbeitet hat, sei erstmal Grundlagenforschung. Heißt: Noch nicht wirklich für den Alltag einsetzbar. Das Problem? „Die Temperatur. Man kann das nur speichern,wenn es minus 250 Grad hat.“
Das ist allerdings ein Problem – so tief kühlen ja nicht mal die Gefrierschränke... Um sowas überhaupt entdecken und erforschen zu können, hat die Norderin deshalb auch zumeist unter Luft- und Sauerstoffausschluss gearbeitet. „Man kocht da wirklich Sachen“, erzählt sie, „so ähnlich, wie das im Fernsehen aussieht mit Kolben und so. Und dann stellt man halt synthetisch was her. Das nimmt den meisten Teil der Zeit in Anspruch.“
Für Margarethe van der Meer ist dieses Kapitel allerdings inzwischen abgeschlossen, so bahnbrechend ihre Arbeit auch war. Sie hat ihren Doktortitel vorm Namen und jetzt eigene berufliche Ziele. An den Erkenntnissen werde natürlich weiter geforscht, erzählt sie, vor allem eben an der Sache mit der Temperatur.
Dr..Margarethe van der Meer wird sich vielleicht neuen Forschungen zuwenden oder sich um einen Arbeitsplatz in der chemischen Industrie bewerben. Aber eines hätte man sie ja eigentlich noch fragen müssen:Ob sie ihre Doktorarbeit ganz „stinknormal“ ausgedruckt hat oder womöglich bei Eistemperaturen schockgefrostet auf dem entdeckten Molekül gespeichert?

Entnommen aus dem Ostfriesischen Kurier vom 26.03.2016, Seite 6.