AUFFÜHRUNG Abgangsjahrgang des Ulrichsgymnasiums serviert Fernsehkost der etwas anderen Art
Publikum bei der Premiere voll des Lobes über Fantasie und Kreativität der Akteure.

NORDEN/ISH – Was hatten sie doch einen Spaß, alle, die am Wochenende ins Varieté gegangen sind. Haben sich kaputt gelacht über den „herrlich heimatverliebten Herbert“, über die wunderbar Würselen-nuschelnde Martin Schulz-Variante, über Slapsticks und die Tagesschau der etwas anderen Art. Und sie haben gestaunt über Poetry-Slam, über feine Musik und stimmungsvollen Tanz, vor allem aber über das Gesamtpaket. Was da so ein Abgangsjahrgang einer Schule innerhalb weniger Monate nahezu komplett in Eigenregie auf die Beine gestellt hat.
Der zwölfte Jahrgang des Norder Ulrichsgymnasiums hatte Spaß daran, die Steilvorlage aus dem letzten Jahr noch einmal zu toppen. 2017 waren erstmals Schüler und Schülerinnen des Abgangsjahrgangs mit einem Varieté an die Öffentlichkeit gegangen. Das muss den angehenden Abiturienten des Jahres 2018 wohl so gut gefallen haben, dass sie selbst auf den Geschmack gekommen sind.
Und sie müssen exzellente Abgucker gewesen sein: Haben die gut gelungenen Teile des letzten Jahres mit eigenen Ideen erstklassig umgesetzt und sich dazu eine Menge Eigenes ausgedacht. Das Publikum hatte nicht nur unterhaltsame zweieinhalb Stunden, es amüsierte sich köstlich und war hinterher voll des Lobes. „Genial! Super!“ waren nur einige der Belobigungen. Und das sagten nicht nur verständlicherweise stolze Eltern.
Tatsächlich war es dieser bunte Mix, den viele Akteure gemeinsam auf die Bühne brachten, der die Zeit wie nichts verstreichen ließ. „Let me entertain you“ – das Lied gleich zu Anfang traf es wohl perfekt. Sie ließen sich unterhalten, die Gäste im Saal, obwohl doch ein Fernsehabend angesagt war. Mit Tagesschau, Krimi, Werbung – das sollte unterhaltsam sein?
In dieser Version auf jeden Fall. Arend Batz und Felix Funke, die es sich vorn auf der Bühne mit einem leider nicht gefüllten Popcorn-Eimer in zwei Sesseln gemütlich machten, nahmen die Besucher mit zu ihrem Fernsehausflug. Ein Druck auf die seniorengerechte überdimensionale Fernbedienung, die auch in der letzten Saalreihe noch extrem vergrößert wahrgenommen worden sein dürfte, und los ging es. „Die Sendung mit der Maus“ – „ok up Platt“ – und dann der sendungseigene wichtige Zusatz: „Das war Plattdeutsch.“ Spätestens da hatten alle ihren Spaß. Dabei war es doch erst der Anfang. Die jungen Leute hatten ihrer Kreativität freien Lauf gelassen. Prima! Nahmen die Politik aufs Korn – Angela Merkel, Andrea Nahles und be- sonders Martin Schulz hätten Gelegenheit gehabt, über sich selbst zumindest zu schmunzeln. Oder sogar über sich nachzudenken? „Ich strebe rein gar nichts an!“ nuschelte Renke Ahrends als Schulz-Darsteller, während Friederike Alts in der Merkel-Rolle ihre Finger Merkel-gerecht formte und Jana Meyerhoff in bester Nahles-Art „Ich will nach GroKo!“ von der Bühne schrie.
Überhaupt : Bühne? Scheint für Musical-erprobte UGN-Jahrgänge kein Aufreger mehr zu sein. Die bewegten sich dort oben, als sei es ganz selbstverständlich, vor 450 Zuschauern zu singen, zu tanzen, zu musizieren, sich auch mal zum Affen zu machen. Oder zu Super Mario, zum Weihnachtsmann, zum Känguru, zur trachtentragenden Inka Bause, der „Bauer sucht Frau“-Moderatorin, oder oder oder. Mangel an Fantasie war den jungen Leuten wahrlich nicht vorzuwerfen. Mit wenig Mitteln brachten sie immer wieder Erstaunliches zuwege. Thorben Arends zauberte und veräppelte nicht nur einen Lehrer seiner Schule, sondern gleich den ganzen Saal mit seinen Rubik’s Cubes, Renke Ahrends und Aneele Fischer schlüpften wie etliche andere überzeugend und fast immer Lacher garantierend gleich in mehrere Rollen.
Wenn man erst anfängt, Namen zu nennen – bleibt es in einem Text immer ungerecht. Wen nennen, wen nicht?
Sicher unvergessen: Emili Schwarzkopf als Wahrsagerin, Cedric Ewen ein Hingucker schon allein der Silberstiefel wegen, Marvin Schönfeld und Imke Graver, die Brookmerlander Bauern. Immer wieder genial, solche kleinen Nadelstiche wie in dieser „Bauer sucht Frau“-Persiflage: „In Leezdorf wirst du nicht mal gefilmt, die achten sehr auf Persönlichkeitsrechte.“ Klar, dass der Saal lauten Szenenapplaus spendierte.
Den gab es dann gleich zweimal für Marieke Glöy, die sich als „Lückenfüller“ ankündigte. Und als solchen Poetry Slam servierte. Über Einhörner, die Regenbögen kotzen und Schmetterlinge kacken. Hört sich derbe an – aber die Frau hatte durchaus Wichtiges zu sagen, nicht nur zur Klimakatastrophe, sondern auch komprimiert und gekonnt über das Thema Zeit.
Und klar, da gab es noch viel mehr Highlights – Hirne, die einen nicht schlafen lassen, natürlich Seitenhiebe auf das Lehrpersonal und andere spaßige Einsprengsel.
Einen bunten und gekonnten Rahmen für all diese Schauspieleinlagen schufen zwei weitere Gruppen: die der Tänzerinnen, die ausdrucksstark ebenso Szenenapplaus einheimsten wie die Musiker. Fast pausenlos präsent im Hintergrund der Bühne glänzten die Instrumentalisten auf eigene Art und Weise. Setzten Akzente und bewiesen stellvertretend für den gesamten Jahrgang, dass man in Eigenregie wirklich Tolles auf die Beine stellen kann. Denn auch wenn die Akteure am Schluss den verantwortlichen Lehrer Rainer Ubben mit auf die Bühne holten und er zusammen mit Friederike Alts vom Orgateam Beifall entgegennehmen durfte – Ubben hatte schon vorab klargemacht, dass der Jahrgang alles Inhaltliche und Organisatorische allein gestemmt hat. Hochachtung!

Entnommen aus dem Ostfriesischen Kurier vom 29.01.2018, Seite 3.