SPRACHE Der französische Autor und frühere Minister Azouz Begag besucht das Ulrichsgymnasium

NORDEN /LEA –Azouz Begag ist Schriftsteller. Er definiert sich selbst über Worte, sagt er. Und das, obwohl seine Eltern Analphabeten waren. Möglicherweise aber auch gerade deshalb.

Der ehemalige französische Minister zur Förderung von Chancengleichheit wuchs in den Vororten der Stadt Lyon auf. Seine Eltern kamen 1949 als Gastarbeiter aus Algerien nach Frankreich. Lesen und Schreiben war ihnen fremd, mehr als ein paar Brocken Französisch lernten sie nie. Wollten sie doch eigentlich, so schnell es geht wieder in ihre Heimat zurückkehren – 60 Jahre lang.
Der Franzose hat seine Kindheit zwischen zwei Kulturen in verschiedenen Texten und Geschichten verarbeitet. Prägend war für ihn dabei auch die Begnung mit der deutschen Sprache, die er seit seinem elften Lebensjahr lernt. Einer seiner Aufsätze erschien in einem Buch für den Französischunterricht, in dem verschiedene französischsprachige Autoren ihre ersten Berührungspunkte mit Deutschland schildern. Die Lektüre wurde auch in vielen Französischkursen am Ulrichsgymnasium im Zusammenhang mit dem Thema „Flucht und Migration“ sowie der deutschfranzösischen Beziehung besprochen.
Am Mittwoch und Donnerstag besuchte Azouz Begag als Botschafter für Frankreich das Ulrichsgymnasium, um mit den Schülern zu seinem Text ins Gespräch zu kommen. So bekamen die Schüler auch gleich die Gelegenheit, ihre Sprachkenntnisse mit einem „echten“ Franzosen zu üben.
Vormittags traf Begag zwei Kurse, die sich im Vorfeld auf unterschiedliche Weise mit dem Text auseinander gesetzt hatten. Nach der Präsentation der Ergebnisse gab er im Dialog mit den Teilnehmern eine Rückmeldung.
Nach der Mittagspause sprach er vor einer größeren Gruppe im Musikraum. Rund 70 Schülerinnen und Schüler aus verschiedenen Kursen sowie Seminarfächern mit in direktem Bezug zu Frankreich hörten gespannt zu, wie er mit Witz und Charme von einigen wichtigen Stationen in seinem Leben berichtete.
Zur Kommunikation mit den Schülern nutzte Begag neben der französischen Sprache auch einige Sprachbilder, bekannte Lieder und einzelne Worte auf Deutsch und Englisch. Mit passender Mimik und Gestik sowie einigen kleinen Requisiten ermöglichte der Muttersprachler auch weniger Geübten ein Grundverständnis für seine Erzählungen.
Der Besuch kam auf die Initiative von Französischlehrer Jörg Rademacher zustande. Dieser hatte Begag im vergangenen Jahr mit weiteren Kollegen auf einer Fortbildung erlebt. Er war so begeistert, dass er der Schulleitung vorschlug, den Schriftsteller nach Norden einzuladen. Diese unterstützte die Umsetzung der Idee.
Als wichtigste Botschaft gab Begag den Schülern zum Abschluss einen Ratschlag mit auf den Weg, den ihm bereits sein Vater zeit Lebens immer wieder erteilt hat, und der noch genau so aktuell ist wie damals: Bevor man seine Taschen füllt, sollte man unbedingt seinen Kopf füllen. Die Schüler seien Menschen wie seinen Eltern schon durch ihre drei, vier, fünf Jahre Französischunterricht um Längen voraus. Sprache und Wissen seien ein großer Schatz, dessen sie sich unbedingt bewusst sein sollten.

Entnommen aus dem Ostfriesischen Kurier vom 15.09.2017, Seite 5.