SCHULE 450 Jahre Ulrichsgymnasium in vielen Projekten ein Thema – Fest der Norder Schule
An diesem Dienstag ist zum Abschluss einer Projektwoche in vielen Klassenräumen der Schule und auf dem Schulhof jede Menge los.
NORDEN/ISH – Wie geht man über den Schulhof, wenn man wegen vergessener Schulbücher Prügel vom Lehrer bekommen hat?

Vermutlich anders, als wenn man einen der wenigen Auserwählten darzustellen hat, die vor gut 100 Jahren diese Schule besuchen durften. Graf Ulrich, der noch ein paar Jahrhunderte früher in Ostfriesland das Sagen hatte, schreitet selbstverständlich, und als Gestapomann aus der NSZeit schlagen bitte die Stiefel auf den Boden.
In diesen Tagen hat eine ganze Gruppe von Schülern im jeweils passenden Kostüm unter anderem genau das trainiert: „richtig“ zu gehen. Was sich komisch anhört, gehört zueinem Schulprojekt des Norder Ulrichsgymnasiums (UGN), das an diesem Dienstag im Rahmen eines Schulfestes am Nachmittag ab 14 Uhr präsentiert wird. In der „Schulgeschichte aus der Sicht von ’Zeitzeugen’“ haben sich die Jugendlichen mit verschiedenen Epochen befasst und sind in passende Rollen geschlüpft.
450 Jahre Ulrichsgymnasium – in sehr vielen der insgesamt 44 Projekte beschäftigten sich Schüler und Lehrkräfte in irgendeiner Form mit der Geschichte der Schule. Wie also war es, in der Kaiserzeit am Ulrichsgymnasium Schüler zu sein? Während der Zeit des Nationalsozialismus? Wie erging es Mädchen im Vergleich zu Jungen? Und wie bewegten sich Lehrer durch die Stuhlreihen, als sie noch vom berühmten Rohrstock Gebrauch machen durften?
Eintauchen in die Vergangenheit, nachfragen, recherchieren – die Geschichte der Schule ist wie ein Mikrokosmos der Gesellschaft. Was hier im Kleinen geschah im Verlauf der viereinhalb Jahrhunderte, passierte auch im Großen.
Hildegard Vogelsang legte 1936 ihr Abitur an dieser Schule ab. Hildegard Vogelsang war Jüdin – nach ihr erhielt vorerst keine mehr ihr Reifezeugnis an dieser Schule. Siegbert de Löwe, ebenfalls Jude, Jahrgang 1906, war nicht gerade eine Leuchte als Schüler. Er hatte mehr Spaß an der Musik und am gemeinsamen Fußballspiel mit Edo Gerdes. Pech für Siegbert de Löwe, dass Edo Gerdes später als SS-Mann in Norden Karriere machte. In der Reichspogromnacht standen sie sich gegenüber. Und Edo Gerdes hatte offenbar kein Problem damit, den früheren Schulkameraden zu verhaften.
Im Projekt „Wir saßen neben Euch – jüdische Schüler am Ulrichsgymnasium“ haben sich die älteren Schüler in diesen Tagen auf Spurensuche begeben. Welche jüdischen Schüler besuchten das Ulrichsgymnasium, was ist aus ihnen geworden? In der Ausstellung am Synagogenweg haben sie recherchiert, Namen herausgesucht und die Lebensgeschichten aufgeschrieben. An diesem Dienstag werden sie eine Schulstunde spielen – dabei in die Rollen der Norder Rudy Wolff, Dr. Heinz Samson, Siegbert de Löwe, Hildegard Vogelsang und anderer Schüler schlüpfen, die während der Naziherrschaft die Schule, Norden, Deutschland verlassen mussten. Deren Familien deportiert wurden. Nicht alle konnten rechtzeitig fliehen und sich wie Rudy Wolff oder Heinz Samson neue Existenzen in Israel oder England aufbauen.
Schulgeschichte ist auch Thema in Zusammenhang mit einzelnen Fächern. Mit welchen Experimenten beschäftigten sich die Naturwissenschaftler vor 100 Jahren, wie wurde früher Volleyball gespielt, wie hat sich die Sprache Latein entwickelt, und seit wann gibt es Schach am UGN? Und was ist mit der Entwicklung des Musicals? Auch das wird in Projekten aufgearbeitet und präsentiert.
Eine Gruppe hat sich mit den „berühmten Persönlichkeiten“ beschäftigt, die am UGN ihr Reifezeugnis ablegten und dann nicht nur in Deutschland, sondern verschiedentlich auch im Ausland Karriere machten.
Insofern hat das Schulfest am Dienstag ab 14 Uhr dieses Mal einen ganz besonderen Charakter – alles steht im Zeichen des Jubiläumsjahres 450 Jahre Ulrichsgymnasium.

Entnommen aus dem Ostfriesischen Kurier vom 19.06.2017, Seite 5.